„Es war Sommer ...“ Interview mit Autorin Maria Milisavljević

Nach „Alte Sorgen“ (Spielzeit 2022/2023) nimmt Autorin Maria Milisavljević in ihrem, für das Staatstheater Meiningen als Auftragswerk entstandenen Text, nun das Schicksal der vielen von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit Betroffenen in den Blick. Premiere ist am 24. Mai in den Kammerspielen.
Lesen Sie hier ein Inverview mit Maria Milisavljević, das für unsere Theaterzeitung "spektakel" entstanden ist.
Katja Stoppa: Maria, du schreibst mittlerweile schon seit über zehn Jahren für die Bühne, du hast schon einige Preise für deine Arbeiten erhalten und lässt auch meist Dinge, Objekte neben den Spielern zu Wort kommen. Wie findest du „deine Stoffe“ und warum ist es für dich wichtig, den Dingen, die uns umgeben, auch eine Stimme zu geben?
Maria Milisavljević: Meine Stoffe finden sich immer durch Beobachtungen. Oft sind dies Begegnungen zwischen Menschen. Aber manchmal sind da eben auch Objekte und Gegenstände oder die Natur, die unbedingt in diese Beobachtungen einfließen und sie besonders machen. So bekommen sie bei mir dann auch eine Stimme.
Wann hast Du Dich zum ersten Mal mit der Geschichte der DDR und der Wende auseinandergesetzt und warum?
Ich habe mich im Theaterkontext zum ersten Mal tiefgehend mit der Geschichte der DDR auseinandergesetzt für ein Jugendstück. Es war eine Stückentwicklung für das Theater Regensburg. Darin ging es darum, den bayrischen Jugendlichen vor Augen zu führen, was tatsächlich während und nach der Wende stattfand. Keiner von ihnen hatte den Begriff Treuhand je gehört. Keinem war klar, was die erzwungenen Umstrukturierungen durch den Westen tatsächlich für die ehemaligen DDR-Bürgerinnen und Bürger bedeuteten. Dass ganze Existenzen zerstört wurden. Das ist eine Wissenslücke in westdeutschen Lehrplänen und das sollte so nicht sein.
In deinem neuesten Stück „Es war Sommer. Und weil es Sommer war, war es warm.“, lässt du zwei zunächst unabhängig voneinander scheinende Geschichten aufeinander treffen. Eine spielt sich in einer leeren Wohnung ab und die andere auf der Straße. Sie fügen sich nach und nach, im Puzzle der Vergangenheit, welche immer noch die Zukunft bedroht, zusammen. Was hat dich auf diese Darstellung der Geschichte, fast eines Krimis, gebracht?
In meiner Recherche bin ich auf eine Geschichte gestoßen, die direkt nach der Wende stattfand und mich sehr bewegt hat. Ein Mann hatte versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen, nachdem ihm verweigert wurde, weiter in seinem Beruf zu arbeiten. Er ist damit jedoch am kapitalistischen Markt gescheitert und entschied sich für den Freitod. Diese Geschichte war für mich eine indirekte Inspiration für die Figur der Frau/Mutter in meinem Stück – auch wenn die Figur selbst natürlich frei erfunden ist. Herr Hübsch, der hier wie im echten Leben obdachlos ist, ist mir tatsächlich einmal auf Rügen begegnet. Ich habe mich eine Weile mit ihm unterhalten. Mit seiner Geschichte ging es mir ähnlich wie mit der oben. Sie war für mich noch nicht zu Ende erzählt, bzw. ich hatte das Gefühl, dass ich sie teilen möchte. Wie sich beide Geschichten fügen, ist für mich eine Art, beiden Erzählungen Raum zu geben und darüber hinaus auch gesellschaftspolitisch relevante Themen wie Wohnungsnot/-losigkeit, häusliche Gewalt, Armut und Alter zu erzählen.
Dein Stück basiert auf einem Gedicht von Henryk Bereska, wie bist du auf ihn gestoßen?
Ich habe es in der kleiner Holzhütte in einem Kiefernwald im Märkischen gefunden, in der Henryk Bereska einst lebte und in der ich – Dank seiner Tochter Odette – zwei Wochen Schreibzeit verbringen durfte. In meinen Schreibpausen habe ich mich in Henryk Bereskas Werk eingelesen. Zu DDR-Zeiten war er ein bekannter Übersetzer für das Polnische. Seine eigenen Texte wurden jedoch erst nach der Wende veröffentlicht. Ich mag es, wie die Landschaft, die ihn umgab, das Schreiben von Bereska beeinflusste. Der Ort, an dem ich war, begegnete mir durch seine Texte auf einmal vollkommen neu.
Auf einem Berg aus Sand wohne ich
von Henryk Bereska
In einer Hütte aus gehobelten knisternden
Kiefern unter struppigen raschelnden.
Mit Kiefernholz heize ich winters
in dieser Hütte auf Sand.
Der Ofen verströmt Kiefernduft.
Darin schwebe ich
beinah selber verkiefert.
Aus Kiefer wird sein das leichte Boot
worin ich in den Sand fahren werde
und es mag Sommer sein
damit der Sand warm sei
und sonnig die Luft.
Welchen Einfluss hat das Gedicht auf dein Stück beziehungsweise auf die Figuren?
In dem Gedicht „Auf einem Berg aus Sand wohne ich“ schwingt sowohl das Gefühl von Heimat und Angekommensein wie auch das Bewusstsein über die eigene Vergänglichkeit mit. Vielleicht auch das Bewusstsein, dass alles vergänglich ist. Aber dass es eben auch einen Ort geben kann, an den man gehört und dass dieser Ort durch einen selbst genauso geprägt wird, wie er uns prägt. Aber was ist, wenn es keinen Ort gibt, an den man gehört? Oder wenn es den Ort schon noch gibt, aber andere bestimmen, was er ist, wie er ist? Außerdem scheint in dem Gedicht am Ende die Sonne und es ist warm, also alles gut.
Warum ein Kaktus, welches Sinnbild beschreibt er für dich?
Diese Art von Kaktus blüht immer nur im Winter. Zu der Zeit, in der sonst wenig blüht. Das hat für mich eine Stärke. Eine Stärke, die die Figur der Mutter in meinen Stück auch hat. Sie hat so viel Schreckliches gesehen und dennoch findet sie einen Grund, weiterzumachen. Genauso wie Herr Hübsch. Das verbindet sie.
Katja Stoppa, Schauspieldramaturgin
„Es war Sommer. Und weil es Sommer war, war es warm.“
von Maria Milisavljević
Uraufführung / Auftragswerk
Regie: Anna Stiepani · Bühne, Kostüme: Thurid Peine · Dramaturgie: Katja Stoppa · mit: Noemi Clerc, Ulrike Knobloch, Christine Zart; Gunnar Blume, Paul Maximilian Schulze
Premiere: Sa, 24.05., 19.30 Uhr – Kammerspiele
weitere Termine: 27.05., 08.06., 15.06., 21.06., 26.06., 05.07.2025
Einführungen: 25 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Foyer
Kostprobe: DO, 15.05.2025, 19.00 Uhr – Kammerspiele, Eintritt frei