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Kammerspiel-Premiere: Frieden als Vorkriegszustand in „Die Perser“ von Aischylos

Regisseurin Sandra Bezler, Foto: Saskia Allers
© Christina Iberl
Regisseurin Sandra Bezler, Foto: Saskia Allers

Europa und die Angst

Der griechische Tragödiendichter Aischylos, Soldat in zwei Schlachten, schreibt acht Jahre nach dieser Kriegserfahrung sein erstes Drama. Er gewinnt damit den 1. Platz bei den Dionysien, den Theaterfestspielen. Sein Werk aus dem Jahr 472 v. Chr. gilt als das älteste Drama der Theatergeschichte.

Neu für die damalige Zeit: Zum ersten Mal wird ein historischer Stoff auf der Bühne gezeigt, keine Mythologie, sondern Zeitgeschichte. Außerdem schlachtet er den Triumph des Sieges – die Griechen in der Minderheit gegen ein übermächtiges Perserheer – nicht aus, er schreibt nicht von Schuldzuweisung, sondern stellt die Königsmutter Atossa in den Mittelpunkt und ihre Auseinandersetzung mit dem Chor, mit Dareios (dem Geist ihres Mannes) und ihrem Sohn Xerxes, dem Aggressor. Dazwischen erscheinen Botenberichte, die älteste Form der Kriegsberichterstattung – anschaulich, mitreißend und emotional.


Sandra Bezler (SB), Paul Jakob Dinkelacker (PJD), Diana Berndt (DB) und Oska M. Borcherding (OB) sind ein eingespieltes Team und widmen sich diesem Stoff in ihrer bereits dritten Zusammenarbeit am Staatstheater Meiningen (nach „Penthesilea“ (2023) und „Die Nashörner“ (2024):

In der Antike tritt stets der Chor auf, der für das System „Individuum versus Masse“ steht. Klingt nach Gesellschaftsthemen und nach Demokratie. Wie erarbeitet ihr das?
SB: Das Prinzip Chor treibt mich sehr um. Wo ist denn überhaupt noch die Zugehörigkeit in unserer Gesellschaft? Ich fand es spannend in den „Persern“ danach zu suchen: „Wer gehört zu wem, wer findet sich und wer bleibt allein zurück?“

Deswegen habt ihr den Chor auch vereinzelt, die einzelnen Figuren vervielfacht?
SB: Der Chor ist die Figur, die versucht, die Energien abzugreifen. Er ist aber auch jemand, der sich ständig fragt: Warum denkt keiner das, was ich denke? Wo ist meine Gruppe? Bei den Einzelfiguren zeigt die Multiplikation, dass es um unzählige Schicksale geht und nicht nur eine Person, die das erzählt.
DB: Dareios’ Geist, zum Beispiel, spricht nur als Einzelperson, während andere Figuren die Stimmgewalt eines Chores bekommen und dadurch auch mehr gehört werden (können).

Wie verbindet ihr Sprache und Bewegung im Raum miteinander?
OB: Aus dem, was die Ensemblemitglieder vorschlagen, entwickle ich inhaltlich Bewegungen heraus ...
PJD: ... man würde ja denken, die Bewegung kommt auf die Musik. Wir machen es andersherum. Und wir haben über Posttraumatische Belastungsstörungen gesprochen, die ich in der Bewegung gesehen habe, die ich wiederum versuche, in der Musik darzustellen.

Aischylos schildert die Kriegsgeschehnisse aus Sicht der Perser. Inszeniert ihr diesen Krieg auch auf der Bühne der Kammerspiele?
SB: Unser Ausgangspunkt ist eher die Angst vor Krieg. Ich erlebe, dass Frieden gar nicht mehr als Frieden empfunden wird, das finde ich geradezu anstößig gegenüber den Menschen, die tatsächlich im Krieg sind. Diese „German Angst“, diese „European Angst“, die wollen wir hinterfragen. Deshalb erzählen wir das Stück aus der Perspektive von Menschen, die sich aus Angst aneinanderklammern und Erholung suchen.
PJD: Das ist auch die Angst vor etwas, das diffus ist, das dadurch größer wird, als wenn es konkret wäre.

Wie verortet ihr dann dieses Drama auf der Bühne?
DB: Die Grundidee ist, wie es überhaupt sein kann, dass wir diese Angst haben, obwohl es uns so gut geht. Da sind wir schnell auf die Idee eines Spa, eines Ortes der Entspannung und des Wohlfühlens gekommen. Der Raum wird mit Nacktheit und etwas Fließendem assoziiert, wir brauchen kein Blut auf der Bühne, weil es nicht darum geht, eine Form von Krieg darzustellen. Die Erzählung des Stückes und die Angst vor Krieg bringen ins Schwitzen …

Das Gespräch führte Schauspieldramaturgin Deborah Ziegler.


„Die Perser“
Tragödie von Aischylos
Übersetzung von Durs Grünbein
Regie: Sandra Bezler • Musikalische Leitung, Performance, live-Musik: Paul-Jakob Dinkelacker
Bühne, Kostüme: Diana Berndt • Choreographie: Oska M. Borcherding • Dramaturgie: Deborah Ziegler • mit: Louise Debatin, Mia Antonia Dressler, Anja Lenßen, Christine Zart; Paul-Jakob Dinkelacker, Matthis Heinrich, Paul Maximilian Schulze, Rico Strempel

Premiere: SA, 15.11., 19.30 Uhr – Kammerspiele
weitere Termine: 18.11., 30.11., 14.12., 18.12.2025, 04.01., 18.02.2026
Einführungen 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn
Kostprobe: DO, 06.11.2025, 19.00 Uhr – Kammerspiele, Eintritt frei

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