Was ist (wirklich) passiert? „Ellen Babić“ von Marius von Mayenburg

Die Regisseurin Monique Hamelmann (MH) und die Ausstatterin Henriette Hübschmann (HH) kennen sich bereits von ihrer Zeit am Staatsschauspiel Dresden, nun treffen sie sich für ihr Meininger Debüt wieder: ein Theater-Psycho-Krimi.
Ihr inszeniert Ellen Babić als Krimi – seid ihr Liebhaberinnen dieses Genres?
HH: Ich mag Krimis! Speziell für „Ellen Babić“ waren die Filme von David Lynch für uns beflügelnd und anregend.
MH: Ich lasse mich bei Krimis vor allem gerne in einen spannenden Plot einsaugen. Nichts ist besser, als wenn es ein Krimi schafft, mich hin und her zu werfen in meinen Spekulationen darüber, was denn nun wirklich passiert ist.
Im Stück wird eine Beziehung als grenzüberschreitend hinterfragt. Es handelt sich um eine Lehrerin und ihre ehemalige Schülerin. Jedoch steht auch der Machtmissbrauch eines Schulleiters im Raum. Wie werden zwei so große Themen unserer Gesellschaft in einem Stück zusammengebracht?
MH: Die Figuren begegnen einander mit Zuschreibungen übereinander, mit Überzeugungen und mit eignen Wahrheiten, dabei verstricken sie sich in Widersprüche. Es geht für mich um den Prozess, wenn ein Vorwurf wegen Macht- oder sexuellem Missbrauch aufkommt. Selten gibt es stichfeste Beweise, die einen Tathergang objektiv rekonstruieren lassen. Meist steht Aussage gegen Aussage. Oder wie es eine Figur im Stück formuliert: „Wirklich passiert ist nur das, worauf sich alle einigen.“
Was zeichnet dieses Kammerspiel aus?
MH: Interessant, dass du psychologisch sagst. Da sehe ich direkt ein realistisch eingerichtetes Wohnzimmer vor mir – das wird man in unserer Version des Stückes nicht zu sehen bekommen. Aber es stimmt: Der Fokus liegt auf den Gesprächen zwischen den Figuren. Für mich geht es hier vor allem darum, was passiert, wenn zwei Menschen ihre Beziehung auf Lügen aufbauen.
Wie taucht ihr in einen Stoff ein, wovon lasst ihr euch inspirieren?
HH: Über den Text und das Thema entstehen bei mir innere Bilder und szenische Fantasien. Ich suche nach der Grundstimmung des Abends. Wie hell oder dunkel ist der Abend? Welche Farben hat er? Was möchte ich fernab vom Text visualisieren?
MH: Vor allem spinnen und assoziieren wir zu Beginn sehr wild. Alles wird gesammelt, zum Beispiel ist Filmmusik eine echte Inspirationsquelle. Außerdem schaue ich viele Tanzstücke, um mich für die Bewegung der Körper inspirieren zu lassen.
Was hat euch an „Ellen Babić“ fasziniert?
HH: Das Spannendste am Text ist für mich das Ungesagte, die abgebrochenen Sätze. Darüber entstehen Untiefen und Abgründe, die Raum lassen für eigene Interpretationen in alle Richtungen. Der Text wirft einen immer wieder darauf zurück, dass man vieles nicht erfahren wird.
MH: Ich war auch überrascht, wie witzig das Stück ist. Die Figuren sind zum Teil sehr skurril und merkwürdig geschrieben. Für mich sind da sehr viele Leerstellen, nicht nur textlich, sondern auch körperlich, die für mich eine Einladung zu fantasievollen Bildern und starken körperlichen Formen sind. In welchem Zustand befinden sich die Figuren und welche körperliche Entsprechung gibt es dafür? David Lynch ist für uns in dieser Arbeit eine große Inspirationsquelle. Wir suchen lyncheske, düstere und abgründige Momente sowie starke und poetische Bilder.
Das Gespräch führte Katja Stoppa,
Schauspieldramaturgin
„Ellen Babić“
Schauspiel von Marius von Mayenburg
Regie: Monique Hamelmann• Bühne, Kostüme: Henriette Hübschmann • Dramaturgie: Katja Stoppa
mit: Mia Antonia Dressler, Evelyn Fuchs; Erik Studte
Premiere: SA, 13.09.2025, 19:30 Uhr – Kammerspiele
Einführunge je 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn
Kostprobe: DO, 04.09.2025, 19.00 Uhr – Kammerspiele, Eintritt frei