Staatstheater Meiningen
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Alte Sorgen

Uraufführung
von Maria Milisavljević


Ins Zentrum ihres neuen Stücks stellt die mehrfach preisgekrönte Autorin Maria Milisavljević eine Altenpflegerin. In einem System, dem Effizienz und materieller Gewinn mehr bedeuten als das Wohl des Menschen, ist jemand wie Kathrin eine einsame Kämpferin. Den alten Menschen ihre Würde zu lassen, ist für sie oberstes Gebot. In ihrer Selbstlosigkeit kümmert sie sich sogar um die Gräber gestorbener Patient:innen. Doch Kathrin ist machtlos angesichts der unzureichenden Personalsituation, die ständige seelische wie körperliche Überforderung bringt sie an den Rand des Burn-out. Die Angehörigen kritisieren sie, die eigene Tochter fühlt sich vernachlässigt. Als diese schwer erkrankt und ein dementer alter Patient die Pflegerin im Wahn beinahe umbringt, wird Kathrin völlig aus der Bahn geworfen. Sie droht sich in der Welt der Sterbenden zu verlieren.

Ausgehend von Georg Büchners blind in ihr Schicksal laufender Dramenfigur Woyzeck, zeichnet die Autorin das einfühlsame Porträt einer Frau, die Pflege als Berufung versteht und die dennoch einem inhumanen System geopfert wird. Ihr Schicksal steht stellvertretend für die vielen Unsichtbaren, die einen bedeutenden Beitrag für den Zusammenhalt unserer Solidargemeinschaft leisten. Und so lässt sich Milisavljevićs wunderbar poetischer Text als behutsames Plädoyer für mehr Mitgefühl füreinander begreifen.


Die Vorstellung am 23.05.2023 findet mit einem Rahmenprogramm der SPD-Fraktion des Thüringer Landtages statt. Im Anschluss an die Vorstellung möchten wir mit Ihnen gern ins Gespräch kommen.

18:00 Uhr Einlass
18:30 Uhr Einführung in das Thema
19:30 Uhr Theatervorstellung "Alte Sorgen"
21:15 Uhr Offene Diskussion und Gesprächsrunde mit Mitgliedern des Ensembles, Gästen und Abgeordneten der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag


Gäste
Dr. Cornelia Klisch (SPD-Sprecherin für Pflege)
Dr. Thomas Hartung (SPD-Sprecher für Kultur)
Olaf Roth (Dramaturg)
Birgit Green (Stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes für Pflegeberufe Südost)

Regie: Anna Stiepani

Bühne, Kostüme: Thurid Peine

Dramaturgie: Olaf Roth

Besetzung

(17.03.2023, 19:30)

Kathrin: Evelyn Fuchs

Antje, ihre Tochter/Sohn/Besucher: Miriam Haltmeier

Frau Weber/der Nebel/Totengräber: Gunnar Blume

Chefin/Kollegin/Mutter/die Luft.: Christine Zart

Karl-Heinz, Major a.D. (der General)/der Schatten: Renatus Scheibe †

Hanni: Carmen Kirschner

Nanni: Emma Suthe

Trailer

Pressestimmen

"Für die Regie hat sich das Meininger Staatstheater die Nachwuchsregisseurin Anna Stiepani ans Haus geholt. Eine gute Entscheidung. Stiepani inszeniert fantasievoll und mit Hingabe für jedes kleinste Detail. Im Zusammenspiel mit dem eindrucksvollen Bühnenbild von Thurid Peine entsteht ein stimmiges Gesamtkunstwerk. Stiepani und Peine, das ist ein Duo, von dem man gerne mehr sehen will."

"Evelyn Fuchs’ stressverzehrtes Gesicht, der gehetzte Gang, überträgt die Erschöpfung dieser Figur bis in die letzten Zuschauerreihen. Im Kontakt mit den Heimbewohner:innen wandelt sich ihr Gesicht in einen Ausdruck liebevoller Milde. Eine beeindruckende Haltung, die Evelyn Fuchs ihrer Kathrin verleiht. Köstlich anzuschauen sind auch die beiden Geister Hanni und Nanni, gespielt von Emma Suthe und Carmen Kirschner."

"Eine Produktion, mit der das Staatstheater Meiningen Perspektiven erweitert."

Marlene Drexler, Nachtkritik, 29.01.2023

"Die Berliner Autorin Maria Milisavljevic hat einen wunderbaren Text geschrieben. Einen Text voller Poesie. Keinen Text über den Tod. Einen Text über das Leben. Ein Text, so leicht, dass die Figuren darin zu schweben scheinen."

"Das Theater ist an die Welt nüchterner Nachrichten nicht gebunden. Es darf Geschichten erfinden und sie ausschmücken. Darf illustrieren, verdichten, dramatisieren. All das macht „Alte Sorgen“. In Meiningen gelingt eine Inszenierung, die das Heitere und das Traurige zusammenführt."

Peter Lauterbach, Meininger Tageblatt, 30.01.2023

 

"Überfordertes Personal, schlechte Entlohnung, kaum Zeit für persönliche Zuwendung, Tragödien während der Pandemie: Der Pflegenotstand in Altenheimen liefert Stoff für ungezählte Dispute und Sonntagsreden. Und nun auch für ein Theaterstück, das in den Meininger Kammerspielen uraufgeführt wurde: "Alte Sorgen" von Maria Milisavljević (41), vielfach preisgekrönte, in Berlin lebende Autorin und Dramaturgin.
Dabei geschieht etwas Wundersames. Man kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn man das reale Trauerspiel aus den Blinkwinkeln der Autorin, der Regisseurin Anna Stiepani und der Ausstatterin Thurid Peine betrachtet. Allein das Bühnenbild öffnet den Horizont weit über die blanke Wirklichkeit hinaus. Der Bühnenboden ist mit weißer Bettwäsche überzogen, als befände man sich auf Wolke Sieben. Dahinter ragt eine gläserne Trennwand in die Höhe, mit der sich bei Bedarf ein Paralleluniversum aus lichtdurchflutetem Friedhofsidyll und romantischer Meininger Parklandschaft eröffnet Zwar betont die Autorin immer wieder die Nähe ihrer Hauptfigur, Pflegerin Kathrin (Evelyn Fuchs), zu Georg Büchners geknechtetem und verlorenem Menschen Woyzeck, doch für das Publium ist das weit weniger bedeutsam als das Kunststück, das Milisavljević in ihrem Stück vollbringt: Über die tragische Geschichte eine Atmosphäre federleichter Poesie zu legen."

Siggi Seuß, Mainpost, 08.02.2023

 

"Die Dichte der Uraufführungen wird durch eigene Stückaufträge gefördert. In dieser Spielzeit kommt auch Maria Milisavljevics „Alte Sorgen“ zur Premiere. Das Stück erzählt nicht nur dokumentarisch eine Geschichte zu Missständen in der Pflege, sondern webt das Schicksal der überforderten Fachkraft in ein ganzes Netz von Bezügen, die von Woyzeck über die historische Arbeiterbewegung bis zur industriellen Fleischproduktion und Corona reichen. Ein volles Programm, das Regisseurin Anna Stiepani in stetigem Wechsel zwischen Realismus und allegorischem Surrealismus auf die Bühne der Kammerspiele bringt."

"Das Bedeutsame ist hier nicht die Fabel, sondern die Reflexion und das poetische Nachsinnen. Nachdem Kathrin (Evelyn Fuchs) von einem Alzheimer-Patienten (wunderbar brutal-ignorant: Renatus Scheibe) gewürgt wird, verliert sie das Bewusstsein. Sie stirbt aber nicht, sondern kommt zur Erkenntnis, dass sie sich ändern muss, wenn das System verkorkst ist."

"Kluge Ebenenwechsel verhindern einen allzu schnöden Realismus, der nur einen Bebilderung der Misere im Pflegebereich wäre."

"So steht das Theater Meiningen uinter neuer Leitung zur zweiten Spielzeit mitten in den Konflikten der Gegenwart. Auch das Publikum zieht mit."

Torben Ibs, Theater heute, März 2003