Uraufführung
Musik von Peter I. Tschaikowski (1892)
nach der Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ von E. T. A. Hoffmann (1816)
Tschaikowskis Märchen ist ein Meisterwerk – kein Wunder, findet sich doch sonst kaum eine so vielfältige und einfallsreiche Musik, eine so lockere Spontaneität und sympathische Herzenswärme wie in diesem Glanzstück des Balletts. Die Eisenacher Produktion entführt dabei in eine Welt, in der einmal nicht Schneeflocken das Bild beherrschen, sondern singende, dicke Männer durch Winterlandschaften purzeln, in der Verwandte Paradiesvögeln gleichen und der Großvater endlich tanzen darf, wie er es sich schon lange erträumte. Eine wundervoll geheimnisvolle Weihnachtswelt, in der garstige Drillinge und fiese Ratten Clara das Leben schwer machen, bis – ja bis der Nussknacker sie in ein Märchen des Tanzes entführt.
Dieser „Nussknacker“ ist ein Feuerwerk. In der Choreographie des Ballettdirektors Andris Plucis tanzt, spielt und singt das Eisenacher Ballettensemble!
Hier geht es zum ausführlichen Stückinhalt.
ANDRIS PLUCIS IM INTERVIEW
Tschaikowski zählt für Sie neben Schubert und Bach zu ihren „Lieblingskomponisten“. Können Sie erklären, was für Sie das Besondere dieser Musik ist?
An Nussknacker zu arbeiten bedeutet für mich, einzutauchen in eine heimelige Phantasterei. Es bedeutet auch, dass man die ganze Zeit „Ohrwürmer“ mit sich herumträgt und dass man mit einer Musk arbeitet, die in ihrer Wirkung kaum zu steigern ist. Klaus Mann beschreibt in seinem berühmten Tschaikowsi-Roman „Synfonie Pathétique“ die Arbeit am Nussknacker als eine quälende für den Komponisten. Ein Auftragswerk, das ihn abhält, ein vielleicht letztes, bedeutendes Werk anzugehen (eben jene „Symphonie Pathétique“). Gleichwohl ist der Nussknacker gespickt mit grandiosen symphonischen Teilen wie zum Beispiel der „Winterlandschaft“ und dem „Grand Pas de deux“ des zweiten Aktes.
Tschaikowski musste immer wieder die Kritik über sich ergehen lassen, seine Musik wäre oberflächlich, nicht seriös genug. Teilen Sie diese Kritik stellenweise auch?
Nein, ganz und gar nicht. Tschaikowski konnte selbst sehr gut differenzieren.er hatte das Besondere und durchaus Geniale seiner Zeitgenossen Brahms und Wagner erkannt, er selbst wollte jedoch bewusst dem emotionalen Lauf seiner Musik kein formalistisches Korsett aufzwingen. Er empfand die Suche von Brahms und Wagner nach emotionaler Tiefe als Koketterie, die den Mangel an künstlerischer Phantasie maskieren sollte.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte in ihrer Choreografie?
Mein Ziel bei diesem Nussknacker ist eindeutig, ein Ballett für die ganze Familie zu machen. Jede Generation soll ihr Vergnügen daran haben. In erster Linie ist es natürlich eine Geschichte für Kinder, aber es soll auch Erwachsene zum Schmunzeln bringen.
Nun gibt es viele verschiedene Interpretationen dieses Balletts. Darunter manche, die vor allem die Figur der Clara psychologisch deuten. Ist das auch bei Ihnen der Fall?
Nein. Solche Interpretationen sind für mich eher Kopfgeburten. Ich entdecke in Tschaikowskis Musik nirgends eine Andeutung in diese Richtung. Er selbst war sehr verhaftet in seien Kindheitserinnerungen, die für ihn nicht nur schön, sondern sicher auch schmerzhaft waren. Ohne Zweifel hatte er den frühen Tod seiner Mutter nie ganz überwunden. Immer wieder suchte er nach Umgebungen, die seinen Vorstellungen einer „heilen Welt“ entsprachen. Auch der Nussknacker will diese „heile Welt“, zumindest für ein paar Stunden, herstellen.
Also alles wie gehabt?
Das natürlich auch nicht. Denn „Museumspflege“ muss man einer Company mit mindestens 40 Mitgliedern überlassen, ganz abgesehen von der Frage, ob sowas erstrebenswert ist. Mein Ziel ist es, eine Phantasterei entstehen zu lassen. Damit meine ich, der musikalischen Vielfalt dieser Musik entsprechend lustvoll zu begegnen. Realität spielt in diesem Ballett keine große Rolle, sondern eher eine Art surreale Kinderphantasie. Schon die „reale“ Welt Claras, bevor sie einschläft, wird durch ihre Augen anders gesehen als die „vernünftigen“ Erwachsenen sie wahrnehmen.
Eine Änderung haben Sie jedoch vorgenommen, das berühmte große Schluss-Pas de deux tanzt der Nussknacker nicht mit der Zuckerfee, sondern mit Clara. Warum?
Wenn sie Kinder fragen würden, mit wem der Nussknacker am Schluss tanzen soll, mit der Zuckerfee oder mit Clara, würden die meisten sicher mit Clara antworten. Beide erleben vieles gemeinsam auf dem Weg zum und im Zuckerpalast, und so ist es ein verständliches Bedürfnis, dass sie am Ende auch zusammen tanzen.
Welche Rolle spielt die Ausstattung in diesem Ballett?
Eine wichtige Rolle. Hier sind die Erwartungen des Publikums sehr klar definiert. Die Geschichte spielt nun mal zur Weihnachtszeit. In den Kostümen von Danielle Jost werden die charakterlichen Eigenschaften der Figuren gesteigert. Die Farben, aber noch mehr die Form der Kostüme, sind lustvoll überzeichnet. Dies soll dem ersten Akt, der vor allem von szenischen Bildern lebt, einen zusätzlichen Reiz geben. Da Clara mit ihrem Nussknacker in eine Traumwelt entflieht, suchten wir nach ungewöhnlichen Assoziationen für die Schnee- und Zuckerwelt. Wie so oft, kamen überraschende Ideen von Frau Jost. Eine weitere surreale Qualität erhält der Raum durch die in Winkeln zueinander stehenden Spiegel und die überdimensionierten Bühnenelemente von Christian Rinke.
Musikalische Leitung: Tamara Lorenzo Gabeiras
Regie und Choreografie: Andris Plucis
Bühne: Christian Rinke
Kostüme und Dramaturgie: Danielle Jost
Der Nussknacker: Admir Kolbucaj / Renaud Thomas Garros
Clara: Verônica Vasconcelos Da Silva / Lucia Giarratana
Fritz: Adson Lipaus Zocca
Mutter: Gaia Zanirato
Vater: Balázs Szijarto
Großvater: Renaud Thomas Garros / Admir Kolbucaj
Drosselmaier: Léo Vendelli
Erster Onkel: Joadson C. Sousa
Zweiter Onkel: Wendel Mota Silva
Das Dienstmädchen: Teresa Alcázar Díaz
Erste Tante: Lucia Giarratana / Elena Zanato
Zweite Tante: Brianna Hicke
Die Mäusekönigin: Antonia Selow
Der Butler: Paul Kenny
Drillinge: Amanda Schnettler-Fernández, Antonia Selow, Cara Verschraegen