Operette in drei Akten von Johann Strauss
Text von Carl Haffner und Richard Genée
„Die Fledermaus“ ist seit 150 Jahren zum Inbegriff der Operette überhaupt geworden. Am dreiaktigen Vorbild der klassischen Oper orientiert und mit großer Ouvertüre bedacht, schnurrt in diesem Werk ein frivoles Treiben der „besseren“ Gesellschaft ab. Der Rentier Eisenstein muss wegen Beleidigung einer Amtsperson ins Gefängnis. Zuvor möchte er sich noch auf Anraten seines Freundes Dr. Falke auf dem Ball des Prinzen Orlofsky inkognito kräftig amüsieren. Dort vergafft er sich im erotischen Übereifer ausgerechnet in seine Ehefrau, die nach einem Liebesabenteuer mit einem Gesangslehrer ebenfalls maskiert auf dem Ball erscheint. Weitere Herrschaften und Bedienstete, die alle ihre Identität verbergen – schließlich kennt man sich in diesen Kreisen –, sorgen beim blasierten Gastgeber Orlofsky für amouröse Verwirrungen, die Dr. Falke genüsslich auskostet, will er sich doch bei Eisenstein nach einer Demütigung auf einem vorigen Ball rächen. Auflösung bringt der dritte Akt, in dem der stark alkoholisierte Gefängnisdirektor Frosch die Liebeswütigen wieder auf Normalmaß herunterfahren lässt.
Musikalische Leitung: Chin-Chao Lin
Regie: Georg Schmiedleitner
Bühne: Stefan Brandtmayr
Kostüme: Cornelia Kraske
Chor: Roman David Rothenaicher
Dramaturgie: Claudia Forner
Gabriel von Eisenstein, Rentier: Johannes Mooser
Rosalinde, seine Frau: Emma McNairy
Adele, ihr Stubenmädchen: Monika Reinhard
Frank, Gefängnisdirektor: Tomasz Wija
Prinz Orlofsky: Marianne Schechtel
Alfred: Alex Kim
Dr. Falke, Notar: Shin Taniguchi
Dr. Blind, Advokat/Iwan: Tobias Glagau
Ida, Adeles Schwester: Dorothea Böhm
Frosch: Thorsten Merten
Chor des Staatstheaters Meiningen
Statisterie des Staatstheaters Meiningen
Der eigentliche Knaller dieser „Fledermaus“ ist aber die musikalisch und komödiantische Qualität, mit der in Meiningen dieses Prunkstück der Wiener Operette als Oper ehrenhalber behandelt wird. Das fängt bei der Hofkapelle an, die ihr junger Chef Killian Farrell von Anfang an auf Betriebstemperatur anwirft und dann mit leichter Hand auf Vergnügungshochtour laufen lässt.
Dem Regisseur gelingt es, alle Protagonisten mit ihrer komödiantischen Seite glänzen zu lassen.
Den Vogel schießt aber Emma McNairy ab. Dass sie eine Rosalinde der vokalen Extraklasse liefern würde, war klar; mit ihrer komödiantischen Seite überraschte sie selbst ihre Fans.
Thüringer Allgemeine, Joachim Lange, 11.12.2023
Mit seiner Inszenierung verlässt sich Regisseur Georg Schmiedleitner voll auf die Durchschlagskraft der Komödie, die diese Operette ja zunächst mal ist.
Allen voran Emma McNairy als Rosalinde. Nachdem sie daheim nur von einem gewöhnungsbedürftigen Fast nichts-Negligé umweht war, gönnt ihr Cornelia Kraske für den Auftritt als ungarische Gräfin eine leuchtend rote Abendrobe mit passender Perücke. So ausstaffiert serviert sie den Ballgästen und dem Publikum im Saal einen „Klänge der Heimat“-Csardas der Extraklasse.
Vom ersten Ton der Ouvertüre an haben GMD Killian Farrell und die Hofkapelle das Publikum längst so weit, dass es streckenweise mitklatscht, als wäre es im Neujahrskonzert in Wien. Da gehen die direkt auf den Komödieneffekt zielende Spielfreude und die musikalische Qualität so zusammen, dass sie direkt zündet.
Auch wenn’s nicht wirklich stimmt, so passt es zu der Kalauervorliebe, mit der sich der Gefängniswärter Frosch im dritten Akt sein Beamtenleben schön trinkt. Thorsten Merten macht das jedenfalls mit so treffsicherem Charme, dass das Publikum auf jedes Wortspiel hellwach reagiert, sogar antwortet, wenn er es anspricht. Mit seinen durchweg funktionierenden, weil hemmungslosen, aber punktgenau sitzenden Alt- und Neuwitzchen sorgt er dezent fürs nötige Thüringer Heimat-Kolorit.
Freies Wort, Roberto Becker, 11.12.2023
Man merkt, dass Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr ein bewährtes Team sind, denn Kostüme und Bühnenbild zeigen eine reizvolle Harmonie und stehen in ihrem Kosmos fast in Konkurrenz zur Musik. Hier ist nichts uniform oder normal, sondern schillernd und schräg, grell sinnfällig und fesselnd.
Johannes Mooser schlüpft als Rentier Gabriel Eisenstein wieder in eine Paraderolle. Stimmlich und körperlich raumfüllend ist seine Bühnenpräsenz unübertroffen. In jeder Phase dieses ereignisreichen Tages spielt er mal den Wütenden, der ins Gefängnis soll, den liebenden Gatten, den peinlichen Lustmolch und albernen Partygast, der sich von jedem vorführen lässt. Seine großartige Stimme tönt klar und artikuliert bis in den dritten Rang.
Fenja Lucas, die im letzten Augenblick für die erkrankte Monika Reinhard einsprang, darf sich als Stubenmädchen Adele und später als Künstlerin Olga kompromisslos austoben und hüpft temperamentvoll und quietschlebendig durchs Geschehen. Sie ist die eigentliche Hauptperson, die das bekommt, was sie sich in den Kopf setzt.
Marianne Schechtel passt in die Hosenrolle Prinz Orlofskys, steckt in silbernen Stiefeln, plüschigen weißen Shorts und einem blauen Uniform Jäckchen. Die starre Maske vor dem Gesicht wirkt fast marionettenhaft, doch zeigen aristokratische Haltung und eindringlicher Gesang überdeutlich, wie es ihm geht und was er will.
Sunnyboy Alfred, Mykhailo Kushlyk, weckt mit zartem Tenorschmelz Rosalindes Gefühle und erhofft sich ein amouröses Intermezzo, käme da nicht die irrtümliche Verhaftung, der er mit Nonchalance begegnet.
Ähnlich wie Johannes Mooser ist Shin Taniguchi eine brillante Besetzung für den Racheakt der Fledermaus Dr. Falke. Diabolisch und hinterlistig zieht er als „Freund“ Eisensteins und „Arrangeur“ des Maskenballs die Fäden.
Regisseur Georg Schmiedleitner serviert dem Meininger Publikum einen unterhaltsamen Cocktail, der es in sich hat und schon nach dem ersten Schluck beschwipst. Komik und Lächerlichkeit gehören ebenso zu den Ingredienzien wie Gemeinheiten, Lügen und Schadenfreude, aber nur in dem Maße, dass keiner mit einem Kater, sondern höchstens mit einem Farbenrausch nach Hause geht.
„Der Opernfreund“, Inge Kutsche, 11.12.2023