Die Jungfrau von Orleans
Romantische Tragödie von Friedrich Schiller
Audio-Einführung zum Stück
Schillers bildgewaltige romantische Tragödie „Die Jungfrau von Orleans“ war eine Steilvorlage für die Inszenierungspraxis „der Meininger“ und wurde ab 1887 mit 194 Aufführungen zum letzten großen Gastspielerfolg. In unserer Neuinszenierung treffen historische Aufführungspraxis auf modernes Regietheater und künstliche Intelligenz.
1430, Frankreich im Krieg. Die Stadt Orléans wird von den Engländern belagert. Im Dorf Domrémy wehrt sich Johanna gegen die ihr zugedachte Verlobung. Göttliche Stimmen befehlen ihr, der Liebe zu entsagen, in den Krieg zu ziehen und Karl zu seiner Krönung nach Reims zu führen. Tatsächlich gelingt ihr der Sieg auf dem Schlachtfeld. Dann erschlägt sie einen Soldaten aus Überzeugung, lässt jedoch den englischen Anführer Lionel, in den sie sich schlagartig verliebt, entkommen. Beschämt davon, an ihrem eigenen Anspruch zu scheitern, schweigt Johanna, als ihr Vater sie bei Karls Krönung der Ketzerei bezichtigt. Anders als das historische Vorbild endet Johanna bei Schiller jedoch nicht auf dem Scheiterhaufen.
Schillers Drama liest sich heute als Stück über Nationalismus, Fanatismus und Gewalt, zitiert erschreckend brutale Kriegsbilder in unseren Kopf und zeigt eine Frau, die sich ihrer Rolle als patriotisch-martialisches Kriegswerkzeug absolut bewusst ist. Von der Stimme der Aufklärung und der Vernunft ist in diesem späten Stück von Schiller (1801) nur noch ein fernes Echo zu hören.
Regie: Frank Behnke
Bühne: Christian Rinke
Kostüme: Susanne Maier-Staufen
Video/KI-Animation: Luis August Krawen
Musik: Matthias Schubert
Dramaturgie: Deborah Ziegler
Tagesbesetzung
(09.10.2025, 19:30)Johanna: Noemi Clerc
Karl der Siebte: Rico Strempel
Königin Isabeau/Agnes Sorel: Anja Lenßen
Herzog von Burgund: Gunnar Blume
Thibeau/Talbot/Schwarzer Ritter: Vivian Frey
Graf Dunois: John Wesley Zielmann
La Hire: Matthis Heinrich
Du Chatel: Paul Maximilian Schulze
Raimond/Lionel: Florian Graf
Bertrand/Raoul/Montgomery: Leonard Pfeiffer
Termine
Pressestimmen
Wenn man Schauspieler beisammen hat, die ihr Handwerk (eigentlich müsste man sagen ihr Denk- und Mundwerk) verstehen, schlägt Schillers
hoher Ton alsbald in den Bann. Immer noch. Und genau das hat das recht junge, aber handverlesen zusammengestellte Meininger Ensemble drauf.
Die Titelrolle ist ein Kraftakt, den Noemi Clerc mit Bravour meistert.
Dank Johanna wird [der Dauphin] als Karl VII. zum König gekrönt. Es ist faszinierend, wie Rico Strempel dieser Figur ihre Ambivalenz verpasst.
Auf die Drehbühne hat Christian Rinke einen riesigen metaphorischen Helm einer Ritterrüstung gesetzt, seine Rückseite ist eine Wand, wie eine Festung. Die Kostüme von Susanne Maier-Staufen changieren zwischen den Epochen. Manche davon lassen sich auf den Überlegungen als von des Herzogs Bühnenbildern inspiriert ausmachen. Das ist dezent und macht Eindruck.
Am Ende wird in Meiningen nicht nur ein fabelhaftes Ensemble bejubelt, sondern auch ein Theater, das nicht nur nach der rechten Balance zwischen der Vorlage und den Mitteln unserer Zeit sucht, sondern sie auch findet.
Freies Wort, Joachim Lange, 09.09.2025
Anja Lenßen ist in Doppelrolle besetzt: Als Agnes Sorel und Königin Isabeau spielt sie hier die mütterliche Geliebte und dort die lieblose Mutter des Dauphins Karl, der König werden soll. Hier subtil und dort brachial behauptet sich eine Frau in einer Männerwelt.
Johanna schwingt das Schwert gleichsam bis weit nach Ende dieses in der Premiere mehrheitlich durchaus groß gefeierten Meininger Abends, der mit dem Ziel vom Krieg erzählt, eine Friedensbotschaft zu vermitteln.
Thüringer Allgemeine, Michael Helbing, 09.09.2025
Noemi Clerc brüllt und kämpft, betet, bettelt und zweifelt sich Johannas Mission regelrecht aus dem Leibe. Rico Strempel gibt als Gegenpol einen resignierten, schöngeistigen König Karl VII. und Anja Lenßen wechselt flugs zwischen Hass und Opportunismus Isabeaus, der Mutter Karls, und Karls einflussreicher Geliebter Agnes Sorel.
Quer durch die Zeiten wird sich schillertreu erregt, gekämpft und bis zum bitteren Ende parliert.
Mittelalter, 19. Jahrhundert, Gegenwart und KI-gesteuerte Zukunft kompakt in drei Stunden Spiel im Schillerschen Sprachduktus. Selbst der hinzugefügte Schlussmonolog eines Ritters („Wo Asche liegt, da wächst vielleicht ein Morgen“) wird von künstlicher Intelligenz erschaffen. Kann dieser Spagat zwischen gestern, heute und KI gutgehen? Wenn man das Ganze mit spielerischer Neugier betrachtet: Ja.
Main-Post Bad Neustadt, Siggi Seuß, 09.09.2025